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    Gute Argumente – Sicherheit und Gesundheit in Kleinbetrieben
   

Natürlich gilt auch für Kleinbetriebe die grundsätzliche Aufgabe, Unfallraten so weit und nachhaltig wie möglich zu reduzieren. Dafür sollten allerdings Wege eingeschlagen werden, die den speziellen Anforderungen in Kleinbetrieben besonders entgegen kommen.

Kennzeichnend für Kleinbetriebe ist oftmals die ebenso dünne Personal- wie Finanzdecke, meist verbunden mit einem hohen Preisdruck. Im Großbetrieb unterstützen die vom Unternehmen angestellten Experten, z.B. Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit, die Vorgesetzten dabei, die gesetzlichen Vorschriften zum Arbeitsschutz einzuhalten und möglichst sichere und gesunde Arbeitsbedingungen zu schaffen.

In Kleinbetrieben ist die Ausgangssituation anders. Hier sind keine unterstützenden Stabsfunktionen vorhanden. Der Unternehmer muss sich um vieles selbst kümmern.

Der Arbeitsschutz genießt aus Sicht des Unternehmers in Kleinbetrieben nicht unbedingt erste Priorität. Der Unternehmer ist selbst stark in das Tagesgeschäft eingebunden. Er muss sich um die Kundenpflege und Auftragsakquisition sowie um Mitarbeiterführung und Qualitätskontrolle kümmern. Zudem erfüllt er, oft unter hohem Zeitdruck, zahlreiche Managementfunktionen. Da liegt es nahe, dass die wichtigen Aufgaben des Arbeitsschutzes allzu oft vernachlässigt werden. Häufig verhalten sich die Kleinbetriebe reaktiv und erst behördliche Auflagen oder ein aktuelles Ereignis, z. B. ein Unfall, führen zu einem aktiven Arbeitsund Gesundheitsschutz. Unfälle sind für das einzelne Unternehmen seltene Ereignisse, was zusätzlich zu einem geringen Stellenwert des Arbeitsschutzes bei den Unternehmern beiträgt.

Den zuvor genannten Schwierigkeiten und Hindernissen stehen erleichternde Bedingungen für Kleinbetriebe gegenüber. Dazu gehören beispielsweise:

– kurze Entscheidungswege und flache Hierarchien
– eine überschaubare Mitarbeiterstruktur
– eine familiäre Struktur
– Vernetzung in Innungen und Verbänden.

Kleinunternehmen können flexibler und schneller reagieren als Großunternehmen. Aufgrund der familiären Struktur hat der Unternehmer oft einen größeren Einfluss auf das berufliche und private Verhalten der Mitarbeiter. Das ist wichtig, da Sicherheit und Gesundheit sowohl von den Verhältnissen am Arbeitsplatz als auch von dem Verhalten der Mitarbeiter im Beruf und im Privaten abhängen.
Kleinbetriebe müssen nicht zwangsläufig, wie Beispiele guter Praxis belegen, hinter den Standards des Arbeitsschutzes in Großbetrieben zurückfallen und viele Beispiele zeigen, dass guter Arbeitsschutz zu einer verbesserten Wirtschaftlichkeit führt. Ein Kleinbetrieb, der auch nur einen einzigen produktiven Arbeitstag durch geringere Ausfallzeiten seiner Mitarbeiter im Jahr gewinnt, spart dabei mehr, als die Regelbetreuung im Jahr kostet.

Es gibt viele gute Gründe für Kleinbetriebe, mehr Engagement in die Sicherheit und Gesundheit ihrer Beschäftigten zu investieren. Die Vorteile eines systematischen Arbeits- und Gesundheitsschutzes – auch und vielleicht gerade für kleinere Betriebe – sind offensichtlich:

– besser motivierte und leistungsfähigere Mitarbeiter
– geringere Gefährdungen und eine verminderte Unfallhäufigkeit
– Steigerung von Qualität und Effizienz; Redu zierung von betrieblichen Störpotenzialen
– rechtssichere Erfüllung gesetzlicher Auflagen
– positive Auswirkung auf das Image des Betriebes gegenüber Kunden und Behörden

Auch wenn der positive Effekt geeigneter Präventionsmaßnahmen i. d. R. den Verantwortlichen bekannt ist, fällt es in der täglichen betrieblichen Praxis doch nicht immer leicht, den Arbeitsschutz als Bestandteil der produktiven Prozesse anzusehen und entsprechend in das unternehmerische
Handeln zu integrieren.

Nur als fes ter Bestandteil der Unternehmensstrategie und -kultur entfaltet moderner Arbeitsschutz jedoch seine volle Wirkung. Gute Verhältnisse für eine gesunde und sichere Arbeit zu schaffen, ist dabei die eine Seite eines wirksamen Arbeitsschutzes. Die Mitarbeiter zu unterweisen und anzuleiten sowie zu motivieren, sich gesund und sicher zu verhalten, ist die andere, nicht minder wichtige Seite. Schutzmaßnahmen nutzen wenig, wenn nicht richtig damit umgegangen wird. Handlungsbedarf besteht deshalb auch bei der Verhaltensprävention, d. h. bei Maßnahmen, die am einzelnen Mitarbeiter ansetzen und darauf zielen, sein Verhalten positiv zu beeinflussen. Aus Praxisbeispielen und Untersuchungen ist bekannt, dass in kleinen Unternehmen der Unternehmer und leitende Mitarbeiter zur Steuerung des Mitarbeiterverhaltens gefordert sind. Befragungen von Unternehmen und Mitarbeitern von mehr als 200 Dachdeckerunternehmen führten zu dem Ergebnis: ›Genauso wichtig wie gute Sicherheitstechnik sind funktionierende und qualitativ hochwertige soziale Beziehungen im Unternehmen und eine gute Führungsqualität‹

     
    Professionelle Betreuung für Sicherheit und Gesundheit: BGV A2 für Kleinbetriebe bis zehn Mitarbeiter
   

Die Basis für gesetzliche Regelungen im Arbeitsschutz stellen die Arbeitsschutz-Rahmen-Richtlinie und andere Richtlinien der Europäischen Union dar. Das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) bildet die wesentliche rechtliche Grundlage für den Arbeitsschutz in Deutschland. Ziel des Gesetzes ist, Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei der Arbeit durch Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu gewährleisten und zu verbessern.
Arbeitgeber sind danach verpflichtet, Gefährdungen und Belastungen der Beschäftigten am Arbeitsplatz zu ermitteln, zu beurteilen, erforderliche Maßnahmen festzulegen, umzusetzen und deren Wirksamkeit zu kontrollieren. Die gesetzlichen Grundlagen sind in den folgenden Paragraphen festgelegt:

– §§ 5 und 6 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG)
– §§ 3 und 6 Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV)
– § 1 Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG)
– § 7 Gefahrstoffverordnung (GefStoffV)
– §§ 5 bis 9 Biostoffverordnung (BioStoffV)
– § 3 der UVV ›Grundsätze der Prävention‹ (BGV A1)
– § 2 der UVV ›Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit‹ (BGV A2)

Neu ist die letzt genannte Unfallverhütungsvorschrift BGV A2 ›Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit‹. Sie ersetzt die früheren BGV A6 (Fachkräfte für Arbeitssicherheit) und BGV A7 (Betriebsärzte) und enthält wesentliche neue Regelungen. Die BGV A2 wurde seit 2005 von den Berufsgenossenschaften schrittweise eingeführt. Im Rahmen der ›Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie‹ (GDA) werden die Unfallverhütungsvorschriften der gewerblichen Berufsgenossenschaften vereinheitlicht. Nach jetzigem Zeitplan soll die reformierte BGV A2 im Jahr 2011 für alle gesetzlichen Unfallversicherungsträger in Kraft treten.

     
    Regel- oder Alternativbetreuung?
   

Mit der BGV A2 haben Unternehmer in Abhängigkeit von der Anzahl der Beschäftigten die Wahl zwischen zwei Betreuungsmodellen:

– die Regelbetreuung
– die alternative bedarfsorientierte Betreuung

Dieses Wahlrecht gilt sowohl für neu gegründete oder umfirmierte Betriebe als auch für Betriebe, die das Betreuungsmodell wechseln wollen. Wie die nachfolgende Übersicht zeigt, haben die Berufsgenossenschaften die Modelle unterschiedlich ausgestaltet.

Die Inhalte der Betreuungsmodelle unterscheiden sich in den Zeitabständen der Wiederholung der Grundbetreuung und bei der Beschäftigtenanzahl pro Betrieb für die alternative Betreuung. Darüber hinaus fordern die Berufsgenossenschaften für die alternative Betreuung Schulungen zu den Motivations- und Informationsmaßnahmen für Unternehmer. Deren Umfang beträgt zwischen 24 und 40 Lehreinheiten. Unterschiedlich geregelt sind auch der Zeitabstand (drei bis fünf Jahre) und der Umfang von Fortbildungsmaßnahmen nach Abschluss der ersten Schulung (vier bis acht Lehreinheiten). In der Festlegung der BG BAU für Unternehmen mit bis zu zehn Beschäftigten beträgt die Ausbildungszeit bspw. acht Lehreinheiten und die weitere Betreuung darf nur durch ein anerkanntes Kompetenzzentrum erfolgen.

     
    Regelbetreuung bis zehn Beschäftigte
   
Die Regelbetreuung beinhaltet die regelmäßige Beratung des Unternehmers bei der Umsetzung von esetzlichen Anforderungen zum Arbeitsund Gesundheitsschutz durch einen Betriebsarzt und eine Sicherheitsfachkraft. Sie wird u. a. durch die vorgeschriebene Wiederholung der Grundbetreuungen vor Ort im Betrieb gewährleistet. Das Hauptaugenmerk der Grundbetreuung richtet sich auf die Erstellung und Aktualisierung der Gefährdungsbeurteilung durch den Unternehmer gemeinsam mit den Fachberatern.
Der Betriebsarzt führt zusätzlich die erforderlichen Vorsorgeuntersuchungen durch. Im Gegensatz zu den früheren Vorschriften (BGV A6 und BGV A7) sieht die neue BGV A2 für Betriebe mit bis zu zehn Beschäftigten keine festen Mindesteinsatzzeiten vor. Betriebsarzt und Fachkraft für Arbeitssicherheit vereinbaren mit dem Unternehmer die notwendigen Einsatzzeiten für die Beratung auf Grundlage der Gefährdungsbeurteilung. Betriebsarzt und Sicherheitsfachkraft stehen auch für die anlassbezogenen
Betreuungen zur Verfügung, die vom Unternehmer ausgehen. Mögliche Anlässe können bereits im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung aufgezeigt werden.
     
    Alternative Betreuung
    Bei der alternativen Betreuung ist die Eigeninitiative des Unternehmers stärker gefragt. So verpflichtet er sich beispielsweise, an den Schulungsmaßnahmen seiner Berufsgenossenschaft teilzunehmen. Der Unternehmer soll damit in die Lage versetzt werden, den Arbeits- und Gesundheitsschutz im Betrieb selbst zu organisieren und bei Bedarf einen Betriebsarzt oder eine Sicherheitsfachkraft hinzuziehen. Die Durchführung der sicherheitstechnischen und betriebsärztlichen Betreuung muss in jedem Fall dokumentiert und der Berufsgenossenschaft auf Verlangen nachgewiesen werden.
     
    Vor- und Nachteile
   

Ein großer Vorteil der Regelbetreuung ist die in bestimmten Zeitabständen oder bei wesentlichenÄnderungen vorgeschriebene Wiederholung der Grundbetreuung durch den Betriebsarzt
und die Sicherheitsfachkraft. Die Sicherheitsfachkraftübernimmt hierfür die Erinnerungsfunktion und die Terminvereinbarung. Mit diesen Grundbetreuungen werden wesentliche Dokumente auf dem aktuellen Stand gehalten. Der Unternehmer hat feste Ansprechpartner, die ihn informieren oder Unterweisungspflichten bei der sicherheitstechnischen und betriebsärztlichen Beratung übernehmen können.
Bei der alternativen Betreuung hingegen liegt der aktive Part immer beim Unternehmer. Passivität führt hier zwangsläufig zur Vernachlässigung seiner gesetzlichen Pflichten und unter Umständen in eine betriebswirtschaftlich nachteilige Situation. Der zeitliche Aufwand für Schulungen und Fortbildungen verlangt vom Unternehmer einen hohen persönlichen Einsatz. Gerade in kleinen Unternehmen besteht selten die Möglichkeit, Arbeitsschutzaufgaben zu delegieren. Deshalb ist der Unternehmer neben seinen betriebswirtschaftlichen und fachlichen Aufgaben auch als ›Arbeitsschutzexperte‹ gefordert.

Das führt zu einem starken Argument für die Regelbetreuung: Der Unternehmer muss sich auf seine ›A-Aufgaben‹ konzentrieren. Das sind Auftragsakquisitionen, Kundenpflege, Mitarbeiterführung und Qualitätskontrolle. Der Arbeitsschutz gehört meist nicht zu den Kernkompetenzen des Unternehmens; unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten ist der Arbeitsschutz eine B-Aufgabe, die der Unternehmer möglichst delegieren sollte. Da es in kleinen Unternehmen keine eigenen Arbeitsschutzexperten gibt, müssen externe Fachkräfte hinzugezogen werden. Betriebsarzt und Sicherheitsfachkraft arbeiten in den Angelegenheiten des Arbeitsschutzes in einem engen Vertrauensverhältnis zum Unternehmer, dieser kann sich auf die Fachexpertise des Betriebsarztes und der Sicherheitsfachkraft verlassen.

       
  Der Text stammt aus der Quart-Broschüre "Klein, sicher und gesund: Flexibilität und Gesundheitsschutz für Kleinbetriebe".
Klicken Sie auf das links stehende Bild, um die Broschüre zu öffnen.